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Born
to Run
Aufgenommen im März 1974 bis Juli 1975 in den Record Plant Studios, New
York, N.Y.
Veröffentlicht am 25. August 1975 (USA) / 01. September 1975
(Europa)
Mitwirkende Künstler:
Bruce Springsteen - Gitarre, Gesang, Harmonika,
Bass
Garry Tallent - Bass, Horn
Steven van Zandt - Gitarre, Gesang
Max Weinberg - Drums
Ernest Carter - Drums
David Sancious - Keyboards, Saxophon
Danny Federici - Keyboards, Gesang
Clarence Clemons - Saxophon
Roy Bittan - Keyboards
Wayne Andre - Trombone
Mike Appel - Gesang
Suki Lahav - Geige
Roy Bittan - Keyboards
Randy Brecker - Horn
Michael Brecker, Saxophon
Richard Davis - Bass
David Sanborn - Saxophon
Produktion:
Jimmy Iovine - Tonmeister
Greg Calbi - Mastering
Bob Ludwig - Remastering
Eric Meola - Coverfoto
John Berg - Cover Designer
Andy Engel - Cover Designer
Tracklist:
Thunder Road
Tenth Avenue Freeze-out
Night
Backstreets
Born to Run
She's the One
Meeting Across the River
Jungeland
Infos:
Fast alle Songs des dritten Albums wurden in den bekannten "Record
Plant Studios" in New York City aufgenommen. Nur "Born to Run"
wurde in den "914 Sound Studios" in Bauveld, NJ eingespielt.
Bruce Springsteen hat für "Born to Run" ungefähr 50 verschiedene Songs
geschrieben. Einige blieben auf der Strecke und wurden nicht veröffentlicht,
z.B. " A Love So Fine", "Linda Let Me Be The One", "Lonely Night In
The Park", "Lovers in the Cold" und "The Heist".
"Tenth Avenue Freeze-out" sollte ursprünglich "Scooter
and the Big Man" heissen.
Insgesamt wurden zwei Singles ausgekoppelt. "Born to Run"
erreichte Platz 23 der US Billboard Charts. "10th Avenue Freeze
Out" landete auf Platz 83. In den englischen Charts konnte sich
das Album auf Platz 17 halten.
"Born to Run" wurde in Amerika mit drei Platinauszeichnungen
bedacht. Ferner wurde das Album in die "Library of Congress'
National Recordings" aufgenommen. In der
Veröffentlichungswoche landete Bruce Springsteen auf dem Cover des
"Times Magazin" und wurde als "neuer Star am
Rockhimmel" gefeiert.
Das von Eric Meola gestaltete "Born to Run" Coverfoto wurde
mehrfach ausgezeichnet. Die im Jahre 1975 entstandenen Fotos wurden
2006 im Bildband "Born To Run: The Unseen Photos"
zusammengefasst.
Die Songs:
"Thunder Road"
Der Openingtrack wurde 1974 unter dem Titel "Wings for
Wheels" komponiert. Der Song wurde zum ersten Mal am 5. Februar 1975 während einer Show im
"The Main Point" in Bryn Mawr, PA Live vor Publikum präsentiert.
Die ursprüngliche Albumversion von "Thunder Road" hatte eine Länge von mehr als sieben Minuten. Nach einem Gespräch mit
John Landau, entschloss sich Bruce, den Song auf 4 Minuten und 50 Sekunden zu kürzen.
"Tenth Avenue Freeze-Out":
Die 10th Avenue ist eine Durchgangsstrasse auf der New Yorker West Side. Sie führt durch Chelsea, dem berüchtigten Stadtteil Hell’s Kitchen über die Upper West Side bis nach Harlem. Nach der grossen Hungersnot in Irland Mitte des 19. Jahrhunderts kamen viele Iren nach Amerika, um Siedlungen an der West Side zu errichten. Schon bald schlossen sich die Einwohner zu Gangs zusammen und machten Hell’s Kitchen zu einem gefährlichen Ort.
Bruce Springsteen komponierte "10th Avenue Freeze-Out" im Winter 1974. Der Song feierte am 20. Juli 1975 im "Palace Concert Theatre" in Providence, RI seine Live-Weltpremiere.
"Night"
"Night" ist mit 3 Minuten das kürzeste Stück auf dem dritten Bruce Springsteen Longplayer. Angeblich wurde "Night" im Winter 1974 komponiert und zwischen dem 25. April und dem 19. Mai 1975 in den "Record Plant Studios" in New York City eingespielt und von Jimmy Iovine und
Bob Ludwig abgemischt. Seine Live Weltpremiere feierte der Song am 13. August 1975 im New Yorker Nightclub "Bottom Line".
"Backstreets":
Das "Rolling Stone Magazin" wählte "Backstreets" im Jahre 2013 zum sechstbesten Bruce Springsteen Song aller Zeiten.
- "In his Rolling Stone review of Born to Run, Greil Marcus said Roy Bittan’s cascading piano intro to "Backstreets" was so powerful "it might be the prelude to a rock & roll version of The
Iliad." Quelle
Der vierte Track auf dem dritten Bruce Springsteen Studioalbum entstand im Mai 1975 in den "Record Plant Studios" in New York City. Wie "Night" feierte auch "Backstreets" am 13. August 1975 im New Yorker "Bottom Line" seine Live-Weltpremiere.
"Born to Run":
Bruce Springsteen schrieb den Titelsong zu seinem dritten Studioalbum im Frühjahr 1974 in seinem Zuhause (7 1/2 West End Court) in Long Branch, NJ.
Der Song wurde mehrfach in den "914 Sound Studios" in Blauvelt, NY eingespielt und immer wieder verworfen. Die Albumversion entstand am 6. August 1974 in Zusammenarbeit mit
Garry Tallent (Bass),
Danny Federici (Orgel und Glockenspiel),
Clarence Clemons (Saxophon),
Ernest Carter (Schlagzeug) und
David Sancious (Keyboards).
"Born to Run" feierte am 28. April 1974 anlässlich einer Show auf dem Campus des Swarthmore College in Swarthmore, PA seine Live-Weltpremiere.
Vier Tage nach der Albumveröffentlichung – am 25. August 1975 – wurde "Born to Run" weltweit als Single ausgekoppelt. In den Vereinigten Staaten stieg der Song auf Platz 23 der "Billboard Hot 100 Charts" ein.
Das Rolling Stone Magazin wählte "Born to Run" auf Platz 21 der "500 Greatest Songs of All Times". Ausserdem ist die Komposition seit dem 12. Juni 1979 die inoffizielle Jugend-Hymne des Bundesstaates New Jersey.
- "This song’s four and a half minutes took three and a half months to cut. "I had enormous ambitions for it," said Springsteen. "I wanted to make the greatest rock record I’d ever heard."
Quelle
Auch der Hollies Sänger Allan Clarke spielte "Born to Run" im Jahre 1975 ein. Seine Version erschien im Oktober 1975 in Europa als Single.
"She's the One":
Die Urfassung von "She’s the One" entstand bereits im Jahre 1972. Damals schrieb Bruce Springsteen "Virgin Summer Nights" für sein erstes Werk "Greetings from Asbury Park".
"Virgin Summer Nights" wurde nie veröffentlicht und Teile des Textes wurden zwei Jahre später für "She’s the One" verwendet. Der amerikanische Autor Clinton Heylin schreibt in seinem Buch "E Street Shuffle: The Glory Days of Bruce Springsteen and the E Street Band", dass Bruce Springsteen in den 1970er Jahren ein Verhältnis mit
Suki Lahav hatte und ihr den Song widmete.
"She’s the One" wurde erstmals am 4. Oktober 1975 während eines Konzerts in der "Avery Fisher Hall" in New York City, NY Live vor Publikum gespielt.
"Meeting Across the River":
"Meeting Across the River" wurde im Frühjahr 1975 in den "Record Plant Studios" in New York City von Bruce Springsteen (Gitarre und Gesang),
Roy Bittan (Klavier), Richard Davis (Bass) und Randy Brecker (Trompete) eingespielt.
Die Komposition wurde am 25. August 1975 als siebter Song auf dem dritten Bruce Springsteen Longplayer "Born to Run" veröffentlicht. Ferner wurde "Meeting Across the River" am 29. August 1975 auch als B-Seite der Single "Born to Run" released.
Seine Live-Weltpremiere feierte "Meeting Across the River" am 26. September 1975 im "Hancher Auditorium" der University of Iowa in Iowa City, IA.
"Jungleland":
Als letzten Song findet man auf "Born to Run" die knapp zehn Minuten lange Rockoper "Jungleland".
Im Frühjahr 1974 trafen sich Bruce Springsteen, die Musiker der E Street Band sowie Manager Mike Appel in den "914 Sound Studios" in Blauvelt, NY, um an frühen Versionen von "Born to Run" und "Jungleland" zu feilen.
Besonders mit "Jungleland" war Bruce Springsteen nie zufrieden. Er arbeitete tagelang mit Clarence Clemons an dessen Saxophonsolo und spornte seinen Musiker zu Höchstleistungen an.
- "Alles, was wir tun konnten, war abwarten und Tee trinken" sagte Clemons, der sein »Jungleland«-Solo sechzehn Stunden lang Note für Note wieder und wieder einspielte." Quelle:
Bruce / Peter Ames Carlin
In einem Interview mit Don Reo – dem Co-Autor der Clarence Clemons Geschichtensammlung "Big Man – Mein abenteuerliches Leben" – sagte Clarence Clemons jedoch, dass Bruce Springsteen das legendäre Saxophon-Solo aus einzelnen Sequenzen am Mischpult zusammengesetzt hat.
- "Er verwendete alles, was ich gespielt hatte, all diese kleinen Stücke, und machte daraus, was er in seinem Herzen hört. Für mich klingt das Solo wie Liebe." Quelle:
Big Man – Mein abenteuerliches Leben
Darüber hinaus arbeiteten auch Suki Lahav (Violine), Garry Tallent (Bass), Max Weinberg (Schlagzeug), Roy Bittan (Klavier) und Charles Callello (Streichinstrumente) an "Jungleland". Schlussendlich wurde die Albumversion im Mai 1975 fertiggestellt.
Seine Weltpremiere feierte "Jungleland" bereits am 12. Juli 1974 im New Yorker "Bottom Line".
Born to Run: The Unseen Photos:
- A self-taught photographer, Eric Meola opened his own studio in 1971; by 1975, he photographed the cover for Bruce Springsteen’s album Born to Run and began shooting major advertising campaigns as well. For more than twenty years he has done editorial and corporate photography for major clients and agencies. In 1983, he joined The Image Bank stock photo agency. Meola’s photographs are included in the archive of the American Society of Media Photographers (ASMP), the National Portrait Gallery in Washington, D.C., the International Center of Photography in New York, the George Eastman House and the Museum of Modern Art in Munich.
Veröffentlichte Singles:
- Born to Run (USA - 29.08.1975)
A-Seite: Born to Run
B-Seite: Meeting Across the River
- Tenth Avenue Freeze-out (USA - Oktober 1975)
A-Seite: Tenth Avenue Freeze-out
B-Seite: She's the One
- Born to Run (Japan - November 1975)
A-Seite: Born to Run
B-Seite: Backstreets
Born to Run / Backstreets (Japan Single)
Interpretation:
(von Forenuser
Ragman)
-
Born To Run ist der Wendepunkt, der Tag der Entscheidung. Es ist das letzte Album aus einer Phase des Sturm & Drang. Schritt für Schritt ist man diesem Tag nähergekommen, dieser Kreuzung, die schon lange zu erkennen war, genauso wie die Folgen und Veränderungen, die sich ereignen werden, je nachdem, welchen Weg man nun wählen würde.
Thunder Road vollendet eine Entwicklung. Mary symbolisiert wieder die Abhängigkeit von dem Ort und der Welt, die der "Erzähler" zurücklassen will. Mary ist diejenige, die glaubt, dass sie zulange gewartet haben und es nun zu spät ist, all dem noch zu entfliehen:
So you're scared and you're thinking that maybe we ain't that young anymore
Auf der anderen Seite ist aber auch der Erzähler, der dem Charakter aus Growin'Up oder Rosalita entsprechen könnte, nicht mehr so selbstsicher wie auf den vergangenen beiden Alben. Die ständige Konfrontation mit den langsam zerbrechenden Träumen der anderen und die trotz des festen Willens niemals vollendete Flucht aus der Stadt, haben an seinem Selbstbewusstsein genagt. Dennoch hat er immer noch denselben Traum:
Show a little faith, there's magic in the night
Gleichwohl haben sich alte Illusionen aufgelöst und sind einem leichten Anfall von Pragmatismus gewichen, der aber trotzdem noch den wesentlichen Kern des Traumes (von der Freiheit) in sich trägt:
You ain't a beauty, but hey you're alright
And that's alright with me
Vom Wesen her sind beide Charaktere gleich. Deshalb setzt sich der Erzähler mit Mary gleich, wenn er sagt:
I'm no hero that's understood
Sie ist also keine Schönheit und er kein Held. Damit reift eine nicht unbedeutende Erkenntnis, nämlich die, dass das Warten auf den idealen Moment (auf den "saviour to rise from these streets") der Grund dafür ist, dass es beinahe schon zu spät geworden ist. Jetzt, so wie es nun ist, diese Situation, diese Konstellation, diese beiden Charaktere, wie sie sind, mit ihren Fehlern, Zweifeln und ihrer Unvollkommenheit, ist die allerletzte Chance. Wenn sie auch nur einen Tag noch auf einen besseren Moment warten, ist es endgültig zu spät.
We got one last chance to make it real
Es ist die Erkenntnis, dass sie eben deshalb unvollkommen sind, weil sie immer noch zögern. Das Fortgehen ist der erste Schritt auf dem Weg in die Vollkommenheit.
Heaven's waiting on down the tracks[...]We're riding out tonight to case the promised land
Symbolisiert in der Gitarre, die er zum sprechen gebracht hat (I got this guitar and I learned how to make it talk), ist alles, was er tun musste, um diesen allen entscheidenden Moment zu erreichen. Er hat dem vagen Traum eine Form gegeben durch seine Gitarre, dadurch, dass er die Fähigkeit gefunden (oder erlernt) hat, davon zu singen. Damit hat er den Traum real gemacht.
Sie muss nun den Weg gehen von ihrer "front porch" (das, was sie zurücklassen) zu seinem "front seat" (das, was sie zu finden hoffen), weil sie diejenige ist, die die Verbindung zu dem, was sie zurücklassen, abbrechen muss. Er kann das nicht.
Und um das klarzumachen, erinnert er an all diejenigen, die sie zurückwies und die es deshalb nicht schafften. Ihr Versuch, ihre Suche nach der Freiheit endete in der eigenen Selbstzerstörung ([...]skeleton frames of burned out Chevrolets), weil man nicht frei sein kann, wenn man sich nicht von seinen Verpflichtungen, die man, ohne es selbst zu wollen, schon dadurch einging, weil man zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort in eine bestimmte Familie geboren wurde. Wenn Mary den Teil der menschlichen Psyche symbolisiert, der für die Verbundenheit zu dem Ort, aus dem man stammt, genauso wie zu den Menschen aus dieser Umgebunng, steht, dann ist der "lange Weg"(if you're ready to take that long walk), den Mary gehen muss, der Prozess der geistigen, inneren Loslösung von dieser Verbundenheit, die den anderen Teil der menschlichen Psyche, den Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit, quält. Wenn dieser Drang nicht stark genug ist, um den anderen Teil der eigenen Psyche zu überzeugen, alles loszulassen, dann wird das Ergebnis katastrophal sein. Denn entweder endet man wie Mary, die von ihrer Vordertür aus den Traum von der Freiheit in nichts auflösen sieht (when you get to the porch they're gone on the wind), oder wie jene, die zwar dem "Ruf der Freiheit" folgen, aber als leere Hülle (skeleton frames) enden, weil sie nicht vergessen können, was sie zurückließen.
10th Avenue Freeze-Out ist zunächst einmal die symbolische Gründung der E-Street-Band (When the change was made uptown and the Big Man joined the band). Besonders deutlich wird dies viel später in der Bandvorstellung während der Reunion Tour, wo die Gründung der E-Street-Band im Nachhinein sogar mystifiziert wird.
Doch bereits in der Ur-Fassung klingt ein erlösender Aspekt in der Gründung der Band mit an.
Zunächst herrscht ein melancholischer Unterton vor:
Well everybody better move over, that's all
'Cause I'm running on the bad side
And I got my back to the wall
Mit dem Rücken an der Wand zu stehen, ist eine häufig verwendete Metapher, die eigentlich keiner näheren Interpretation mehr benötigt. Es gibt keinen Weg mehr zurück, nur noch nach vorne.
And I'm all alone, I'm all alone
And kid you better get the picture
And I'm on my own, I'm on my own
And I can't go home
Es gibt keinen Weg zurück, er kann nicht mehr nach Hause und ist allein. Er ist zerschmettert und ohne eine Ahnung, wohin es nun gehen soll. Dann geschieht die entscheidende Veränderung der Situation.
When the change was made uptown
Und die E-Street-Band erhält ihre stylistische Vollendung mit dem Erscheinen des Big Man.
And the Big Man joined the band
Die Melancholie fällt ab und wendet sich zum positiven.
I'm gonna sit back right easy and laugh
Night ist purer Dualismus, basierend auf einem "Rebel Without A Cause"-Motiv. Der Arbeitstag auf der einen Seite und die Nacht auf der anderen Seite. Da es offenbar die Träumerei während des Arbeitstages ist, wirkt es ähnlich wie Thunder Road. Die Abhängigkeiten sind hier symbolisiert in der langweiligen "nine-to-five"-Arbeit und seinem Boss (the boss man's giving you hell).
Wir befinden uns noch nicht in der Nacht selbst, sondern in der Erwartungshaltung, in einem Traum von der Nacht, die Nacht als Erlösung. Auch hier wird wieder die Überwindung des Alltags, in den man geboren wurde, als Voraussetzung zur Befreiung stylisiert. Nur wenn man die scheinbare Unendlichkeit einer Arbeit, die von 9:00 Uhr morgens bis 5:00 Uhr nachmittags dauert, übersteht, wird man die Nacht erreichen. So wie die eher übliche Symbolik für den Tag als das Erlösende und die Nacht, die Dunkelheit als dessen, dem man entrinnen muss, sind auch die Rollen hier gegenüber Thunder Road vertauscht. Die weibliche (hier namenlos) ist der Drang nach Freiheit und die männliche Rolle die in den Strukturen verhaftete, die einen Weg finden zu ihr finden muss, um selbst frei zu werden.
Backstreets widmet sich nun den bis hierher ein wenig vernachlässigten Charakteren, die immer nur am Rande als warnende Mahnung erwähnt wurden, jene, die voller Hoffnungen begannen und dann mit zerbrochenen Träumen endeten. Mit der nahenden Entscheidung, ob nun die letzte Chance auszubrechen und aufzubrechen genutzt werden wird, gewinnen diese düsteren, melancholischen Charaktere immer mehr an Einfluss, bis sie schließlich beim nächsten Album (Darkness On The Edge Of Town) zum zentralen Thema werden.
In den ersten beiden Strophen sind Terry und der Erzähler eine scheinbar untrennbare Einheit, die frei und unsterblich an dem Ort angelangt sind, von dem all die anderen Charaktere bisher nur geträumt haben. Aber sie verstecken sich nur vor den Dingen, denen die anderen Charaktere bisher so verzweifelt zu entfliehen suchten. Dabei müssen sie jede Nacht um ihr Leben rennen, damit sie nicht doch noch entdeckt und von der Vergangenheit eingeholt werden.
Running for our lives at night on them backstreets
Mit der 3. Strophe (die wohl nicht zufällig musikalisch und metrisch vollkommen anders aufgebaut ist als alle anderen Strophen) bricht das Kartenhaus zusammen. Plötzlich sehen sie diejenigen, die ihnen vorausgegangen waren und nun schwer verletzt sind oder gar schon im sterben liegen.
Some hurt bad some really dying
Und in der scheinbar alles erlösenden Nacht hören sie plötzlich das Weinen der ganzen Stadt.
At night sometimes it seemed
You could hear the whole damn city crying
Und plötzlich erreicht es auch sie und die Illusion zerstört sich selbst mit der Erkenntnis, dass man genauso ist wie alle anderen. Sie haben versucht, den Weg zu gehen, den sie sich erträumten,
Trying to learn to walk like the heroes
We thought we had to be
nur um am Ende zu erkennen, dass sie eben nicht so sind
After all this time
To find we're just like all the rest
Sie sind zweier derer, die im darauffolgenden Lied "Born To Run" am Rande erwähnt werden, wenn es heißt
The highway's jammed with broken heroes
On a last chance power drive
Was besonders an der nächsten Zeile deutlich wird
Everybody's out on the run tonight
But there's no place left to hide
da hier die Formulierungen vom Anfang von Backstreets wieder aufgegriffen werden (running [and] hiding on the backstreets), nur können sie sich nun nirgends mehr verstecken.
Born To Run fasst die ganze Thematik noch einmal zusammen, wobei die Unterscheidung zwischen dem Teil, der sich nach Flucht sehnt und dem der mit der Herkunft verbunden ist, verschwunden ist. Das mag daran liegen, dass zum einen das Selbstvertrauen des Charakters wiedergekommen ist (das in Thunder Road zu bröckeln begann) und zum anderen als zentrales Lied zu diesem Thema ein innerer Konflikt in der Frage, ob die Flucht richtig oder falsch ist, gar nicht zulässt.
tramps like us, baby we were born to run
Die Flucht ist die eigene Bestimmung, ganz egal, ob man nun tatsächlich dazu fähig ist oder nicht. Gleichzeitig aber öffnet man auch wieder ein "Hintertürchen"
Someday girl, I don't know when, we're gonna get to that place...
Die in Thunder Road formulierte Endgültigkeit wird hier in ein unendlich verlängerbares "Ich weiß nicht wann" umgedeutet, womöglich in der unterbewussten Erkenntnis des zwangsläufigen Scheiterns des Traums. Deshalb bleibt Born To Run als das zentrale Lied in Springsteens künstlerischem Schaffen erhalten, da es trotz des baldigen Scheiterns bei dem das Ziel vollständig aus den Augen verloren werden wird, immer wieder daran erinnert, dass es dieses Ziel gibt.
She's The One ist Thunder Road mit vertauschten Rollen. "She" symbolisiert den Traum, den der an seine Herkunft gebundene Erzähler gerne ablegen würde (I wish she'd just leave me alone), aber:
The thunder in your heart
At night when you're kneeling in the dark
It says you're never gonna leave her
Hier kommt die Veränderung, die in Born To Run durchblickte, zum Tragen. Auch wenn, wie jetzt zu ahnen ist, bald schon alle Träume zerbrechen (But there's this angel in her eyes, that tells such desperate lies), bleiben sie trotzdem tief im Inneren bestehen, denn
No matter where you sleep tonight
Or how far you run
She's the one
Eine Art Versprechen, das sagt, dass wo immer der Weg nun auch hinführt, und sei es auch noch so weit fort vom eigentlichen Ziel, der Grund, weshalb man aufgebrochen ist, immer bestehen bleiben wird, die Untrennbarkeit des Verstandes von dem, was man fühlt.
Meeting Across The River kehrt nun letztlich in das New Yorker Millieu der Kleinkriminellen zurück, das uns schon in Lost in the Flood und Incident on 57th Street begegnet ist. Ursprünglich sollte das Lied mal "The Heist" heißen, was umgangssprachlich so viel wie "der Raub" oder "der Überfall" bedeutet. Und von der Vorbereitung zu diesem Überfall handelt auch das Lied.
Obgleich thematisch hier in eine völlig andere Richtung gegangen wird (genau genommen aber nur ein alter Faden vom vorherigen Album wieder aufgenommen wird), finden sich viele Parallelen zu den anderen Liedern.
word's been passed this is our last chance
ist z.B. vergleichbar mit der Textzeile We got one last chance to make it real aus Thunder Road.
Gleichzeitig steckt die Hoffnung in einem "man on the other side", eine falsche Hoffnung wie wir uns denken können, aber ebenso können wir uns denken, dass sich der Protagonist diese Hoffnung nicht ausreden lässt. Er sieht in dem Treffen mit dem Mann von der anderen Seite ein Schwellenereignis, das nötig ist, um seine Träume zu erfüllen, in diesem Fall genug Geld, von dem er bisher immer nur geredet hat wie all die anderen Charaktere von der Flucht. Da hier ziemlich klar ist, dass diese Vorstellung vom einfachen Geld eine Illusion ist, bildet dies eine Brücke zu den vorangegangenen Liedern und bringt die Vermutung in den Vordergrund, dass auch die Träume der anderen bloß Illusionen sind. Am Ende bleibt das, was allen Charakteren gemein ist, der Wunsch dem bisherigen Leben zu entfliehen und die Hoffnung auf einen "Moment, der einfach nicht kommt", wie es schon bald in Badlands zum Ausdruck gebracht werden wird.
Mit dem Rückgriff auf die melancholischen, düsteren Elemente vergangener Lieder und der Konzentrierung dieser bildet Jungleland die Brücke zu Darkness on the Edge of Town, wo der inhaltliche Ton sich plötzlich deutlich ändern wird. Die Motive bleiben die gleichen, doch ihre Intention ändert sich. Die Charaktere verlassen den Sturm & Drang und driften hinein in desillusionierte Melancholie, wenngleich auch nicht ohne eine tief verborgene Hoffnung. Bis hierhin beschrieb Bruce seine Charaktere nur, doch sie unterliefen noch keiner Entwicklung. Diese beginnt mit Darkness on the Edge of Town. Ab da werden sie entwurzelt umherdriften. Die Befreiung von aller Abhängigkeit geschafft, aber das Ziel aus den Augen verloren.
Die verschiedenen New Yorker Szenen, die zunächst beschrieben werden, kündigen alle eine nahende Konfrontation an. Mit Magic Rat und Barefoot Girl begegnen wir zum ersten Mal ein Paar wie aus Thunder Road, Born To Run oder She's The One, die nicht mehr in dem Moment vor dem Fortgehen gefangen sind, sondern sich bereits auf den Weg gemacht haben. Doch die Maximum Lawmen sind ihnen bereits auf den Fersen.
As we take our stand down in Jungleland
Jetzt kann aber die Entscheidung zwischen dem Drang nach Freiheit (Magic Rat und Barefoot Girl's versuchte Flucht "over the Jersey state line) und der Verantwortung gegenüber dessen, was man zurücklässt, nicht mehr in die vage Zukunft verlegt werden. Die "Maximum Lawmen", die Gesetzeshüter, symbolisieren dabei das Pflichtgefühl sich an die bestehenden Normen zu halten. Einfach davonzulaufen und alles hinter sich zu lassen, widerspricht diesen Normen. Jetzt ist die Zeit gekommen "to take a stand", Stellung zu beziehen. Der Konflikt zwischen Pflichtgefühl und Drang nach Freiheit wird sich hier nicht auflösen, am Ende des Tages wird eine der beiden Seiten über die andere triumphieren. Es ist ein Entscheidungskampf (interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Stephen King in seinem nur wenige Jahre nach Born To Run erschienenen apokalyptischen Roman "The Stand - das letzte Gefecht" Springsteen's Jungleland zitiert).
Der zweite Teil des Liedes ist eine Variation. Die Leute bereiten sich in den Straßen auf die alles entscheidende Konfrontation vor, dem "face-off".
Dann im letzten Teil (nach dem Saxophon-Solo) folgt die Entscheidung. Mit der Realität konfrontiert gibt Magic Rat auf.
In whispers of soft refusal
And then surrender
Magic Rat begeht Selbstmord (oder versucht es zumindest, das bleibt offen).
The Rat's own dream guns him down
Der Traum zerstört sich also selbst, als er mit der Realität konfrontiert wird.
Outside the street's on fire
Die Straße war von Anfang an das Symbol für den Ausweg (These two lanes will take us anywhere), jetzt steht sie in Flammen als Resultat zwischen dem was Fleisch (real) und dem was Fantasie (Traum) ist. Die Straße ist zerstört. Damit gibt es keinen Ausweg mehr, der Traum ist gestorben.
Und selbst die Poeten, Inbegriff derer, die den Traum eine Form bzw. Worte verleihen können (in Thunder Road: I got this guitar and I learned how to make it talk), schweigen nun. Der Traum hat keine Form mehr, er löst sich in nichts auf und lässt all jene, die ihn einmal geträumt haben, noch nicht mal tot, sondern bloß verwundet zurück, so dass ihr nun des Traumes beraubtes Leben ewig weitergeht.
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