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Am Morgen des heutigen Konzerttages mussten wir noch die letzten Meilen von Knoxville nach Nashville, Tennessee, zurücklegen. Was mir bereits am Vortag auffiel. Sehr viele Städte hier in Tennessee enden mit „-ville“. Irgendwie lustig.
Um die Mittagszeit kamen wir nach einer gemütlichen und stressfreien Fahrt in unserem Hotel in der Nähe von Nashville an. In den „Candlewood Suites“ eingecheckt, kurz etwas relaxt, ehe es dann zum Sommet Center, dem heutigen Venue, ging. Die üblichen Verdächtigen hatten sich bereits per SMS gemeldet. Sie waren schon vor Ort und warteten auf uns. Es dauerte eine Weile, bis wir einen Parkplatz bzw. ein Parkhaus gefunden haben. Das Problem war, dass die ersten beiden „auserwählten“ nicht die ganze Nacht über geöffnet waren und wir, je nachdem, wie spät Bruce heute anfangen würde, eventuell nicht mehr aus dem Parkhaus hinaus kommen... das dritte Parkhaus (direkt gegenüber) war dann „Open all Night“ und somit fiel die Wahl jetzt leicht. Und dann auch für nur sechs Dollars. Das passte.
Kurz darauf trafen wir auch schon am Sommet Center auf die beiden. The Tambourine, Mo und Janis waren auch schon da und es gab erst mal ein grosses „Hallo“. Die üblichen Verdächtigen hatten auch schon die Will Call Tickets in der Hand. Zum Glück. Das war ja auch so ein Drama... Vor einigen Wochen online bei Ticketmaster bestellt – eben als Will Call Tickets (zur Abholung abends an der Abendkasse, dem Box Office). So weit so gut. Und was machte Ticketmaster? Sie schickten drei der vier Tickets mit der Post nach Hause. Einen Tag vor dem Abflug kam das erste an, sonst hätten die beiden gar nichts davon gewusst. Die zwei anderen waren wohl auch noch unterwegs bzw. sicherlich in der Zwischenzeit auch daheim angekommen. Auf jeden Fall mussten sie eine halbe Ewigkeit mit Ticketmaster telefonieren, bis die dort die Tickets freigeschaltet hatten und sie sie am Box Office abholen konnten. So ein Kuddelmuddel.... Da blieb mir beim Anhören der Story nur ein Kopfschütteln...
Wild Billy holte sich zwischenzeitlich sein Will Call Ticket ab, was zum Glück ohne Probleme klappte. Somit waren wir also alle mit den Stehplatzkarten versorgt und reihten uns in der Schlange für das Wristband der heutigen Lotterie ein. Vor uns war noch ein Amerikaner, der mit zwei GA-Tickets zwei Wristbands haben wollte (er war alleine da) und machte gleich mal einen riesen Terror, nachdem er nur ein Wristband bekam. Egal, das störte uns nicht weiter, Garry legte jedem von uns sein Wristband um, und somit konnten wir fürs erste wieder von dannen ziehen.
In aller Ruhe gingen the Brain, Wild Billy und ich die Hauptstraße entlang der Guitartown und bewunderten und bestaunten die vielen Locations, in denen schon nachmittags Livemusik geboten wurde, alte und verwinkelte Läden und Lokale, Schallplattenläden, CD-Läden und und und. Faszinierend, was es hier alles zu sehen gab. Selbstverständlich hatten unsere Fotokameras jetzt sehr viel zu tun. Während the Brain bei Hooters einkaufte, schauten Wild Billy und ich uns in der Nähe des Hard Rock Cafes näher um, um dann gemeinsam wieder in Richtung Sommet Center zurück zu gehen. Auf dem Weg dorthin trafen wir erneut auf die üblichen Verdächtigen. Kurz vor 17 Uhr mussten wir nochmals zum Auto, ehe wir uns zur Verlosung, etwas verspätet, wieder einreihten.
Die Nummern unserer Wristbands waren heute die Nummern 492 bis 496. Gezogen wurde die Nummer 257. Also waren wir auf jeden Fall drin, und das gar nicht mal an einer schlechten Stelle in der Schlange. Klasse, fünf Shows, fünfmal im Pit! Wer hätte das gedacht? Lustigerweise mussten wir nach Ausgabe des zweiten Wirstbands mehr oder weniger sofort in die Halle hinein, um dort im inneren Umgang zu warten, bis der Soundcheck vorbei war.
Den hörte man auch bereits von draussen sehr gut: „Mountain of Love“, mehrfach, und „Let the good Times Roll“, auch mehrfach. Sehr schön. Wollte ich zwar nicht unbedingt hören, weil dann ja der Überraschungseffekt in der Show weg ist, aber trotzdem. Seit Ottawa 2007 bei ner Hallenshow keinen Soundcheck mehr gehört. Ja, zurück zum Einlass. Erinnern wir uns an die Tickets von Ticketmaster... beim Einlass wurden die Tickets gescannt... und was zeigte der Scanner an? Einmal „Go“, dreimal „Stop“. Super... kurzerhand wurden wir an die Seite gebeten, während sich Wild Billy aber schon mal auf den Weg in die nächste Schlange machte. Nach einigem Hin und Her und mehrfachem Nachfragen (also Eigeninitiative, weil die Security uns einfach stehen ließ), klärte sich die Angelegenheit auf. Wir mussten nochmals zum Will Call Schalter (wo zum Glück dieselbe Frau wie nachmittags saß) und bekamen statt der vier GA-Tickets eine Quittung ausgehändigt, mit der wir sodann in die Halle konnten – Ticketmaster... so ein Durcheinander...
Überraschenderweise klappte es dann doch sehr schnell und einfach, mit dieser Quittung in den Pit zu kommen. Hätte ich nicht erwartet. Ich sah uns schon bei der abschließenden Ticketkontrolle vor den Treppen in den Innenraum wieder stehen und warten. So kamen wir also doch in der richtigen Reihenfolge im Pit an und setzten uns mittig, so circa acht Meter vor der Bühne auf den Boden. Da alle vor uns auch noch saßen, war klar, dass wir locker nochmals zwei bis drei Meter näher ran kommen, sobald alle stehen (so war es dann auch).
Nach und nach trudelten immer mehr bekannte Gesichter ein. Die beide Holländer, die dieselben Shows anschauen wie wir, waren schon vor uns drin, Paolo und Rosa kamen mal vorbei, ne Bekannte von the Brain, jetzt in den USA, zusammen mit ihrem Mann und und und. Da wir uns ziemlich gut unterhielten, verging die Zeit wie im Fluge. Durch das viele Gerede auf Deutsch fielen wir selbstverständlich auch auf, was zu weiterem Small Talk mit den umstehenden Amerikanern führte. Wie meistens, sehr nett. Zwischendurch erreichte uns eine SMS von the Tambourine, sie sei in der E Street Lounge. Sehr schön, damit war sie also auch in der Arena. Wie ich zwischenzeitlich von ihr erfuhr, war sie dann während der Show in der ersten Reihe, ganz aussen, auf der Seite von Clarence. Und da wir ja in der Halle waren heute Abend, stand sie nicht so weit von ihrem Big Man entfernt. Und er hat sie dort selbstverständlich auch gesehen.
Eine Gruppe von Amerikanern machte sich auf den Sitzplätzen hinter der Bühne noch einen tollen Spaß. Sie hatten sich T-Shits drucken lassen, auf jedem Shirt vorne je ein Buchstabe und hinten je ein Buchstabe. Wenn sie mit dem Rücken zur Bühne standen, erschien der Request: T R A P P E D. Und wenn sie richtig herum zur Bühne standen (logischerweise die meiste Zeit der Show...) konnte man B R U U U C E darauf lesen. Super Idee!
Ich glaube, es war so gegen 20.20 Uhr, als das Licht ausging. „The Man on the flying Trapeze“ kündigte den Showstart an, nach und nach kamen die E Streeter auf die dunkle Bühne, der Lärmpegel stieg und stieg und war jetzt schon um einiges höher, als im Hershey Park Stadium (vor 30.000 Menschen) zwei Tage zuvor.
Noch kurz zum Sommet Center. Ich schätze, da passen so ungefähr 16.000 bis 17.000 Menschen hinein, wobei aber auf den oberen Rängen (300er Blöcke) bei weiten nicht alle Plätze verkauft waren. Schätzungsweise waren 13.000 bis 14.000 Zuschauer in der Halle. Aber egal, die Stimmung war jetzt schon sehr gut.
Endlich alle auf der Bühne. Und los ging das Konzert mit „Out in the Street“. Nicht unbedingt die große Überraschung als Opener, aber klug gewählt, um sofort weiter Stimmung in der Halle zu haben. Im Gegensatz zu Hershey, wo ich sehr mit meiner Müdigkeit zu kämpfen hatte, war ich heute Abend sofort „in“ der Show. Super! Das hatte ich nach der vielen Fahrerei gestern und heute nicht unbedingt erwartet. Die Fans um mich herum waren auch von Anfang an voll bei der Sache, was mir den Einstieg in die Show natürlich erleichterte. Wenn um mich herum keine Stimmung ist, tue ich mich ab und an auch recht schwer, so richtig in Fahrt zu kommen. Gleich auf „Out in the Street“ folgte der obligatorische zweite Song: „Radio Nowhere“. Rockte heute wieder gut ab, der Song, wobei Bruce sehr darauf bedacht war, gegen Ende etwas weniger wild mit seinem Arm zu rotieren, damit ihm nicht erneut sein Plektron im hohen Bogen davon fliegt... ich meine, ein leichtes Schmunzeln bei ihm gesehen zu haben in dieser Situation, als er sich offensichtlich an die Show im Hershey Park Stadium erinnerte.
„No Surrender“ schloss sich als dritter Song des Abends an. Nicht unbedingt eine Rarität. Klar, die Erwartungen stiegen natürlich nach den letzten Shows hier in den USA. Aber es war mir heute so was von egal. Es klappte hervorragend, meinen Vorsatz umzusetzen, einfach nur Spaß zu haben und die Show zu genießen. Denn: hey, nur noch drei Shows, dann ist die „Magic-Tour“ auch für mich vorbei! Somit also auch bei „No Surrender“ richtig bei der Sache und lauthals von vorne bis hinten mitgesungen.
Bruce stiefelte über die Bühne und sagte seinen E Streetern den nächsten Song an. Keine Ahnung, was auf der Setliste stand. Weiter ging es mit „Lonesome Day“. Die Fans in der Halle nahmen diesen Song begeistert auf und waren zum richtigen Zeitpunkt mit hochgereckten Armen zur Stelle. Nach „Lonesome Day“ ein kurzes Innehalten auf der Bühne, Bruce schaute zu Max, der schlug auf seine Drums und die ersten Töne von “Spirit in the Night” erklangen. Wie schon in Charleston brauchte Bruce heute nicht lange zu fragen, ob wir den Geist des Abends spüren konnten. Selbstverständlich spürten wir ihn, alle, bis hoch unter das Hallendach. „Can you feel the spirit out there? Can you feel the spirit out there?” Der Geräuschpegel stieg nach diesen Worten nochmals an. Während des Songs hockte sich Bruce wieder an den Bühnenrand, dieses Mal rechts von mir, pickte sich ein kleines Mädchen aus der ersten Reihe heraus und hob es neben sich auf die Bühne. Total begeistert saß sie da und schaute Bruce mit großen Augen an, wie er neben ihr sang. Selbstverständlich durfte sie das „All Night“ ins Mikrophon singen, nachdem Bruce „Spirit in the Night“ sang. Da leuchteten die Augen... Zum Abschluß gabs noch nen Schmatz von Onkel Bruce auf die Backe, und schwupps war das Mädel wieder unten bei der Mama. Bruce stolzierte noch etwas hin und her auf der Bühne, zeigte sich ganz vorne auf dem Catwalk, wobei sich für Wild Billy und mich die Gelegenheit ergab, näher heran zu kommen. Warum auch immer, kaum war Bruce uns ganz nah, machten die Amerikaner Platz, indem sie seitlich weg gingen.
Nach „Spirit in the Night“ legte Max wieder mit seinem Beat los, während dem Bruce die vielen vielen Request-Signs anschaute und größtenteils einsammelte. Einer meiner Freunde stand knapp hinter mir, grinste mich an, als ich mich umdrehte, und hielt zwei Ein-Dollar-Noten in die Höhe. Drauf stand: „Sad Eyes“ und „None but the Brave“. Nette Idee. Wie er mir nach der Show erzählte, hatte er das in Hershey bereits gemacht und Bruce dies auch gesehen. Sie standen dabei ganz links am äußersten Catwalk. Bruce muss wohl sehr erstaunt geschaut haben in diesem Moment.... Leider beachtete Bruce die Songwünsche von ihnen nicht, sondern sammelte eher die viel viel größeren Schilder ein. Auch nicht schlecht, verbesserte die Sicht nach vorne. So ging es wieder einmal sehr lange, bis Bruce einen ganzen Stapel von Requests neben Max auf den Boden legte und anfing, darin zu wühlen. Plötzlich hielt er einen Request in den Händen mit den Worten: „let’s test the band – we played this song...“ und da zeigte er ihn nach vorne... „Good Rockin’ Tonight“ ...“we played this song at the Capitol Theatre in 1978” sagte Bruce weiter, beratschlagte sich mit Steven, Garry und Nils, ehe er breit grinsend wieder ans Mikrophon ging: “elephants never forget“ und sie legten eine Performance von „Good Rockin’ Tonight“ hin, die sich gewaschen hatte! "Well have you heard the news?" Die Halle bebte! Und ich freute mich so richtig. Unglaublich, schon wieder so ein toller Coversong, den sie in den 1970er Jahren auf den Shows spielten. Danke, Bruce! Mit breitem Grinsen stand er nach „Good Rockin’ Tonight“ da und murmelte erneut „elephants never forget“
Nach weiterer intensiver Suche kramte Bruce das nächste Schild hervor. Drauf zu lesen „Please play GROWIN’ UP and tell us a story about that GOD DAMN GUITAR“. Na, da liess er sich nicht lange Bitten. Unterhielt sich erneut mit seinen „Elefanten“ und kehrte ans Mikrophon zurück. Dort brummelte er etwas in der Art wie „forget this setlist“, schrubbte mit dem linken Fuss über den Boden, so dass diese sich fast in ihre Bestandteile aufgelöst hätte und legte los. Mitten im Song dann tatsächlich die Unterbrechung, Roy im Hintergrund am Piano, der Rest der Band sehr leise und kaum zu hören, wie anno dazumal in den 1970er und frühen 1980er Jahren, und Bruce entführte uns in das Jahr 1964 zu sich nach Hause. Wie er mit seiner Mutter vor dem Schaufenster stand, wo man DIESE Gitarre kaufen konnte, er aber kein Geld hatte, und dafür sein Poolbillard verscherbeln musste. Wo er doch damit immer die Mädchen beeindruckte bzw. mit ihnen auf seinem Zimmer Pool spielte... er es aber dann doch verscherbelte um sich die Gitarre kaufen zu können... inklusive kleinen Boxen und Verstärker ging er damit natürlich seinem Vater auf die Nerven... und so wurde sie eben zur GOD DAMNED GUITAR...grinste er uns an... aber zwischenzeitlich wurde daraus natürlich die GOD BLESSED GUITAR. Die Band stieg wieder ein und sie brachten „Growin’ Up“ zu Ende. Was für ein Spaß. Richtig schön. Ach, ich kann das gar nicht in Worten beschreiben. Einfach nur toll! Bruce am Schluss: "This is for you, Pop!"
Und schon stand Bruce mit dem nächsten Schild in der Hand da. Er meinte nur, fast wäre dieses Lied nicht auf das Album gekommen. "This is a song that almost didn't make the Born in the U.S.A. record; it was this or 'Pink Cadillac.'... We've played this a few times, it's good for a laugh, and probably one of my most insightful songs about men and women," Drauf zu lesen war „I’m goin“ und ein dicker Pfeil nach unten dazugemalt.
„We sit in your car, outside the house, I can feel the heat coming ‘round. I go to put my arm around you and you give me a look like I’m way out of bounds. You let out one of your bored sighs. Well lately when I look into your eyes. I’M GOING DOWN down down down”… und nun setzte die E Street Band kraftvoll ein… “we get dressed up and we go out baby, for the night. We come home early burning, burning. Burning in some firefight. I’m sick and tired of your setting me up. Setting me up just to knock-a, knock-a, knock-a me down.” Die Menge tobte. „I’m going down“ nochmals nach live on stage nach Barcelona, inder Halle.... Faszinierend! „I pull you close now baby, but when we kiss I can feel a doubt. I remember back when we started, my kisses used to turn you inside out. I used to drive you to work in the morning. Friday night I’d drive you all around. You used to love to drive me wild, but lately, girl, you get your kicks from just driving me down down down down down….”
Wer dachte, jetzt seien die Überraschungen des Abends bereits zu Ende, der sah sich getäuscht. Ohne Request, einfach nur so, folgte nun eine erneute überragende Performance von „Held up without a Gun“. "The price of gas is going up, up, up, up, up... Did you ever feel like you were held up without a gun?" Wow! Und damit immer noch nicht genug. Die Halle tobte natürlich nach zwei solchen Raritäten wie „I’m going down“ und „Held up without a Gun“. Ich konnte es von Brucies Lippen ablesen, wie er von Steve zu Garry und zu Max ging (während Nils nicht nur einmal heute Abend quer über die Bühne schoß, um die frohe Kunde des nächsten Songs an Clarence und Charles weitergeben zu können) und ihnen „Loose Ends“ zurief. Ich erinnerte mich an den Typen in der ersten Reihe in Jacksonville, wie er inbrünstig mitsang bei „Loose Ends“. Na ja, heute war ich das.... Clarence lieferte einen intensiven und starken Part am Saxophon zum Ende des Songs ab.
Ich weiss nicht, was los war und was Bruce geritten hatte…. Diese Songs nacheinander zu spielen:
„Good Rockin' Tonight”, ”Growin' Up”, ”I'm Goin' Down”, ”Held Up Without a Gun” und ”Loose Ends”. Unglaublich, unglaublich. Was für eine Show bisher. Wie würde es wohl weitergehen? Unglaublich. Sensationell.
Es wurde leise in der Halle, die Bühne in rotes Licht getaucht, alle standen bereit für „Youngstown“. Uff, schon wieder. Ich liebe dieses Lied. Wie lange dauerte es, bis Bruce „Youngstown“ wieder ins Programm aufnahm? Zu lange, viel zu lange. Erneut eine Wahnsinnsversion inklusive eines noch wahnsinnigeren Solo von Nils an seiner Gitarre. Direkter Übergang nach frenetischem Beifall in „Murder Incorporated“. Hier sehr viel der Meister selbst mit der Gitarre am Schuften, ehe am Schluß Steven dazustieß und zusammen mit Bruce den Song mit kreischenden Gitarren beendete.
Bruce war gleich darauf schon wieder unterwegs, um den nächsten Song anzusagen. Klar, „She’s the On“, dachte ich... doch weit gefehlt, oder doch nicht? Er hatte erneut einen Request in der Hand, Max war aber schon am typischen „She’s the One“ Rhythmus, da zeigte Bruce das Schild herum: „Mona“ stand drauf. Wow! Und nochmals ein Ausflug in die späten 1978er Jahre zur „Darkness-Tour“. Unglaublich! Zwei oder drei Strophen von „Mona“, ehe es mit direktem Überg ang mit „She’s the One“ weiterging. Die Halle tobte.
Jetzt war natürlich klar, wie es weitergehen würde in der Setliste, die Bruce zwischenzeitlich wieder etwas ordentlicher am Boden liegen hatte. Nachdem er sie vor „Growin’ Up“ sehr unpfleglich behandelte, „bügelte“ er sie mit dem Fuß wieder einigermaßen leserlich hin. Clarence kam aus seiner Ecke in Richtung Bühnenmitte, alle waren schon bei den Vorbereitungen für „Living in the Future“. Bruce derweil auf dem Weg nach hinten zur Treppe, zu Kevin Buell, ließ sich eine andere Gitarre nebst Mundharmonika geben und änderte mir nichts dir nichts einfach nochmals seine Setliste. Zum ersten Mal überhaupt kein „Living in the Future“ auf der „Magic-Tour“, stattdessen hier und heute „The Promised Land“. Nachdem ich es bisher im August noch gar nicht live hörte, freute ich mich sehr darüber. Vor allem, weil die Performance, ganz passend zur gesamten Show, richtig gut und intensiv war. Am Ende des Songs verschenkte Bruce seine Mundharmonika an einen Jungen, der zusammen mit seinem Bruder und seinen Eltern halb rechts hinter der Bühne seinen Platz hatte. In hohen Bogen warf Bruce die Mundharmonika hinauf und der Vater bekam sie doch tatsächlich zu fassen. Kaum hatte Bruce gesehen, dass da noch ein zweiter Junge dabei war (augenscheinlich ganz klar der Bruder), ging er zu Kevin, organisierte noch eine zweite Mundharmonika und wenige Sekunden danach war auch diese im hohen Bogen auf dem Weg zu den Fans. Leider verfehlte sie das Ziel, doch einer der Roadies hinter der Bühne kümmerte sich darum, dass sie ihren Adressaten auch fand.
„Are you ready for a house party?“ fragte Bruce in die Menge. Oh ja, das waren wir, alle. Und wie. Wir bekamen daraufhin ein 15minütiges „Mary’s Place” zu hören, welches ich als das beste seit der Tourpremiere am 28. April in Greensboro bezeichnen würde. Es war bei weitem nicht kurz und knackig, wie an diesem wundervollen Abend in Greensboro. Nein, aber es war ein ganz spezielles „Mary’s Place“. Bis kurz bevor Bruce einmal quer über die Bühne rutschte, war nix erwähnenswertes geschehen.... außer natürlich die gute Stimmung in der Halle. Bruce also den Schwamm in die Wanne getaucht, kurz mal Max vollgespritzt damit, anschließend beide Knie ordentlich naß gemacht, gewichtigen Schrittes auf die Seite von Soozie gelaufen, die Richtung angezeigt, somit die Aufmerksamkeit noch mehr auf sich gezogen und losgesprintet. Kniefall und da rutschte er dahin... und es war so richtig rutschig heute Abend auf seiner Bühne... der Kameramann konnte nicht mehr ausweichen und Bruce rutschte auf ihn drauf... grinste, sagte was, was ich leider nicht verstand, drückte dem Kameramann nen Schmatz auf den Kopf und ging weiterhin grinsend zur Bühnenmitte. Währenddessen stand Clarence da und stand da und ich dachte so, hey, Du bist jetzt dran mit Deinem Saxophon, sobald dein Boss an Dir vorbeigerutscht ist... aber er stand da und... ab dieser Stelle stimmte gar nichts mehr im Song. Der Einsatz für Clarence kam nicht, ratlos blickte er um sich (nicht nur er, auch die anderen sahen etwas verunsichert aus)... Bruce schlenderte zur Bühnenmitte, nachdem er, wie beschrieben, dem Kameramann den Schmatz aufgedrückt hatte, und meinte nur „keep going, keep going“. Es brauchte noch zwei Anläufe, bis endlich wieder alles passte, Clarence seinen Einsatz bekam und alle zusammen „Mary’s Place“ zu Ende brachten.
Es wurde ruhig im Sommet Center. Bruce hielt schon wieder ein Request in Händen. Und sprach mit Nils. Einer der Roadies stellte den Holzstuhl ganz vorne auf den mittleren Catwalk. Nach kurzer Beratung zwischen Nils und Bruce spielte Nils seine E-Gitarre, während Bruce, wunderschön, einige Zeilen aus Johnny Cash’s „I walk the Line“ sang. Direkter Übergang durch alle E Streeter zu „I’m on Fire“, Bruce mit dem Mikrophon in der Hand zu uns nach vorne auf den Stuhl. Ach ja, zwischenzeitlich hatte sich die „Menge“ vor mir wieder bewegt, ich stand nun hinter Jörg in der dritten Reihe und Bruce war zum Greifen nah. Höchstens noch zwei Meter. Und niemand vor mir, der mir die Sicht versperrte. So nahe war ich schon lange nicht mehr dran, will ich eben schreiben, aber das stimmt ja gar nicht. In Jacksonville stand ich in der zweiten Reihe... Aber hey, es war einfach nur klasse, Bruce wieder aus nächster Nähe zu sehen....
Mit „The Rising“ wurde heute der „springende Teil“ der Show eingeleitet. Nachdem ich ja schon bei den vorigen Rockern die Füsse nicht stillhalten konnte, war es jetzt endgültig um mich geschehen. Allerdings fehlte mir hier ganz klar eine ganz bestimmte Person, die kürzlich den Spitznamen „the Jumper“ erhielt, um aus diesem wundervollen Abend einen perfekten Abend zu machen. Grinsen musste ich wieder, als ich zu Beginn des Songs zu Charles hinüber schaute, und er schon wieder mit erhobenem Arm dastand und richtig bei der Sache war (das kann man jetzt aber erst verstehen, wenn der Bericht der Richmond-Show fertig ist...). „Last to Die“, natürlich am Springen und Genießen. Hey, nur noch drei Shows auf dieser Tour... das muss ausgekostet werden. Egal, wenn der Schweiss in Strömen rinnt... Bei „Long Walk Home“ hätte ich nicht hinter mir stehen wollen, ich ertappte mich dabei, wie ich fast jede Bewegung von Bruce mitmachte, dabei den Arm eigentlich gar nicht mehr unten hatte und... ach, ich weiss auch nicht... einfach nur total in „Long Walk Home“ aufging. Bei „Badlands“ hüpften endlich auch die Umstehenden fast alle. Endlich. Was aber nicht heissen soll, dass die Stimmung während der letzten drei Songs gelitten hätte.
Unter frenetischem Beifall und ohrenbetäubendem Lärm verließen alle die Bühne, Clarence hockte sich auf seinen Thron und in der gesamten Halle wurde es dunkel, ehe die Fans rundherum ihre Handys nahmen, und damit wie früher mit den Feuerzeugen und Wunderkerzen ein tolles Bild ablieferten. Bruce und E Street Band liessen sich natürlich auch heute nicht lange Bitten. Bruce erschien mit einem weiteren Schild auf der Bühne. Darauf zu sehen: zwei alte Fotos vom jungen Bruce. Das untere konnte ich nicht richtig erkennen, das obere zeigte Bruce in knappen Shorts am Strand. Daneben stand in grossen Lettern: „BOYS in their summer clothes“, was natürlich dazu animierte, jetzt „Girls in their summer clothes“ zu spielen. "I know it's a little strange, but that's actually how men wore their shorts! I promise you!" Doch bevor es losging, wollte der Boss die Frauen im Sommet Center kreischen hören. Und wie sie kreischten. Wow!
Als weitere Zugabe folgte auch heute Abend „Thunder Road“. Und wie schon im Hershey Park Stadium eine wirklich tolle und intensive Version von „Thunder Road“. Schön war, wie Bruce die Menge mitsingen ließ, indem er an der bekannten Stelle ruhig war und einfach nur selbst lauschte und genoß. Textsicher wie sich Nashville schon den gesamten Abend über zeigte, brauchte er sich hier keine Sorgen zu machen.
Direkt im Anschluß „Born to Run“, womit Wild Billys Wunsch auch in Erfüllung ging, „Thunder Road“ und „Born to Run“ direkt hintereinander zu hören. Selbstverständlich war die Halle hell erleuchtet und alle total aus dem Häuschen.
Nach „Born to Run“ wieder kurze Beratung auf der Bühne. Bruce sagte einige Worte, widmete den Song Joe Strummer zu seinem heutigen Geburtstag und Max legte los. Jetzt ging es mir wieder so wie in Spanien bei „Light of Day“. Der Titel fiel mir nicht gleich ein, aber der Kopf konnte den Text und signalisierte dem Mund: Mitsingen, wir kennen das Lied: „I fought the Law“. Noch eine Tourpremiere... und ich glaube, auch eine Livepremiere für mich.
„Rosalita (Come out tonight)“ – ich kann es nicht sagen, was die Amerikaner mit diesem uralten Bruce-Song haben. Bei „Badlands“ bewegen sie den Hintern nicht, während halb Europa am liebsten an die Decke hüpfen würde, aber bei „Rosie“, da legen sie los und haben Spaß ohne Ende. Nach dem Gastauftritt von Joe Grushecky mit seinem Sohn Johnny vor zwei Tagen in Hershey, kam heute auch ein Gast auf die Bühne. Zu „Rosie“. Er sah etwas, wie soll ich es beschreiben... er hätte aus einer Geisterbahn entlaufen sein können, so kam er daher... "Dave Bielanko from the great band Marah... check out their record!", kündigte Brucie ihn an. Viel zu tun hatte er nicht, der gute Dave. Eigentlich stand er nur schräg und krumm da, schaute etwas komisch und ab und an konnte man seine Gitarre heraushören. Gesungen hat er nicht.
Nach „Rosie“ ging es weiter ins „American Land“. Der halbe Pit hüpfte nun begeistert mit. Schade, dass sich diese wunderbare Show nun langsam den Ende zuneigte. Charles sang an einer total falschen, weil instrumentalen, Stelle munter drauflos... Das störte aber nicht weiter. Ich genoß nochmals „American Land“ und als sie (fast) alle nach der Bandvorstellung auf dem mittleren Catwalk erschienen, schaute ich einem nach dem anderen in die Augen. Wer weiss, ob ich in St. Louis und Kansas City nochmals so weit vorne dabei sein werde?. Charles grinste kurz zu mir runter, hob die Augenbrauen, sozusagen als „Erkennungszeichen“ und ja, da war sie dann fast zu Ende, die heutige Show.
Nach minutenlangem Beifall liess sich Bruce natürlich davon überzeugen, noch einen Song zu spielen. Es stand wohl „Let the good times roll“ auf der Setliste, aber zur Überraschung aller folgte als letzter Song des Abends „Dancing in the Dark“. Zum Ende von „Dancing“ schaute Bruce zu dem Mädchen herunter, das bei „Spirit in the Night“ bei ihm auf dem Bühnenrand saß. Daneben stand eine ältere Frau. „Is this your Mom?“ war die Frage von Bruce. Das war sie wohl, denn er bat sie kurzerhand zu sich auf die Bühne, um mit ihr zu Clarcences Saxophon zu tanzen. Nachdem er ihr nen dicken Schmatz auf die Backe gedrückt hatte – und sie ihm auch – nahm er sie auf die Arme und half ihr so wieder runter in den Pit.
Nach knapp drei Stunden (2:50 Stunden) endete diese wahnsinnige Show. Was soll ich sagen? Es war eines der besten Konzerte, das ich auf der gesamten „Magic-Tour“ gesehen habe. Und nicht nur auf der „Magic-Tour“. Eines der besten Konzerte überhaupt!
Wir streiften nach dem Konzert noch etwas durch die Hauptstraße in Nashville, einmal runter, dann wieder rauf, um das Feeling von Guitartown aufzusaugen. Unterwegs trafen wir auf den ein oder anderen bekannten Tramp, mit dem wir selbstverständlich noch einige Worte wechselten und uns bis zur Show in St. Louis verabschiedeten. Gegen Mitternacht verließen wir das Parkhaus und fuhren zurück in unser Hotel.
Und nun? Next Stop: St. Louis!
(von Magic)
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